Seit 2007 ist Angelina Haug als therapeutische Clownin in Seniorenheimen.

Was sind deine wichtigsten Ziele bei einer Clownsvisite im Seniorenheim?

Da die Lebensqualität unseres „social brains“ zutiefst von sozialen Erfahrungen abhängig ist, sind meine drei Kernziele für den alten Menschen: ein wirkliches Gesehen-, Gehört- und Verstandenwerden, ehrliche Wertschätzung und eine warme Akzeptanz.

Im Praktischen sieht das so aus: Dem einen schenkt Erna Leichtigkeit: Sie scherzt, lacht albert, schäkert und flirtet, dass sich die Balken biegen. Dem anderen schenkt Erna ihre ganze Aufmerksamkeit um, das Traurigsein da sein zu lassen, die Schmerzen zu würdigen, die Ohnmacht anzuerkennen und der Verzweiflung Raum zu geben. Ernas intensive Aufmerksamkeit tut unendlich gut, egal ob man Fröhlichkeit oder Traurigkeit teilt, der alte Mensch fühlt sich gewürdigt und wieder lebendig.

Warum findest du den Einsatz eines professionellen Clowns so wichtig?

Die soziale Ausgrenzung aktiviert die neurobiologische Schmerzmatrix. Der Clown bewirkt das Gegenteil und sorgt dafür, dass die neurobiologische Schmerzmatrix eine ganze Weile aussetzen muss, denn für mich besteht meine Aufgabe als Clownin darin, mein Gegenüber in den Mittelpunkt zu stellen. Das macht die Clownin sehr charmant, humorvoll, mal laut und oft leise und zart.

Meine logotherapeutische Ausbildung in der sinnzentrierten Psychologie nach Viktor Frankl hat mir den Blick dafür geöffnet, dass das Leiden-Aushalten die größte und schwierigste Leistung ist, die ein Mensch erbringen kann. Die Clowns-Madame Erna wertschätzt mit tiefer Ernsthaftigkeit die Tapferkeit des alten Menschen, dieses Leiden auszuhalten. Diese wahrhaftige Achtung vor der Leistung, Leiden zu ertragen, stärkt die Seele des Menschen und die Trotzmacht des Geistes.

Welche Eigenschaft ist für dich als Clown wesentlich?

Ein Clown im Pflegeheim braucht eine sehr hohe Sensibilität und eine gut ausgebildete, feinsinnige Intuition, um sein Gegenüber und die Atmosphäre in einem Raum wahrzunehmen. Auch um zu spüren, wann ein Clown nicht erwünscht ist.

Besonders wichtig ist es auch achtsam mit der Intimspähre eines alten, auch bettlägerigen, Menschen zu sein, denn in jeder Sekunde soll sich der alte Mensch mit dem Clown sicher und wohl fühlen können. Ebenso wichtig ist mir auch, dass der Clown sein Gegenüber immer ernst nimmt und dass seine Gefühle immer wahr sind, also Validation in Reinform.

Hast du eine oder mehrere Methoden, mit denen du arbeitest?

Für mich ist die Figur des Clowns die Methode! Denn der Clown hat ein weites, wertungsfreies Herz und kann deshalb freudig, mit offenen Armen und offenen Augen auf jede:n zugehen. Die Clownin freut sich über jeden Menschen, den sie trifft und begegnet ihm mit der Haltung eines von Herzen kommenden „Schön, dass es dich gibt!“.

Alles, was sich in der Begegnung ereignen will, ergibt sich aus dem Moment, der Verbindung mit dem Gegenüber und dem Folgen meiner Intutition. Übersetzt man

„Methode“ wörtlich, heißt es ja "Weg zu etwas hin". Das bedeutet, die Clownin benutzt ihre Stimme, ihre Mimik und ihre Berührung als Weg zum anderen hin. Die Clownin hat eine fröhliche, warme Stimme, einen offenen, intensiven Blickkontakt und schafft mit achstam-langsamen Berührungsangeboten einen Herzens-Kontakt zu ihrem Gegenüber. Sie baut zu ihrem Gegenüber eine Beziehung auf, in dem sie ihn wirklich sieht, ihm zuhört und ihn wahrnimmt. Das lässt aufleben, gibt Vertrauen und Würde.

Welche Rahmenbedingungen brauchst du für eine Clownsvisite?

Raum, Zeit und Ruhe sind die ausschlaggebenden Faktoren, damit die Clownin in die innere Welt des alten Menschen eintauchen kann und sich gleichzeitig sich auch der alte Mensch voll und ganz auf die Begegnung einlassen und sich für sie öffnen kann.

Dies kann auch bei einem großen Sommerfest genauso gelingen wie im voll besetzten Aufenthaltsraum, doch die Wahrscheinlichkeit der ganzen Magie einer Begegnung von einem alten Menschen mit der Clownin braucht Raum, Zeit und Ruhe. Weitere Rahmenbedingungen habe ich hier zusammengetragen.